Exazerbationen bei der COPD – haben auch Sie Fragen?

Berlin, 15.12.2022 | Lesezeit: 5 Min.

COPD-Exazerbationen sind und bleiben ein heikles Thema für Menschen mit COPD und auch für die Behandelnden. Wie waren Exazerbationen doch gleich am besten zu diagnostizieren? Wann sollte ich meine Patienten*innen am besten zum Facharzt überweisen? Und wie geht die Therapie nach einer Exazerbation weiter? Das sind nur drei der fünf Fragen über die der Pneumologe Prof. Greulich, Marburg, und die Hausärztin Dr. Sandow, Berlin, im PneumoChannel Podcast miteinander sprechen.

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Auszug aus dem Podcast:

Dr. Sandow:
Wir haben es in der Hausarztpraxis jeden Tag mit unterschiedlichsten Erkrankungen und Patientenbildern zu tun, und wir haben recht wenig Zeit mit unseren Patientinnen und Patienten. Somit ist es gerade für uns natürlich ganz besonders wichtig, dass wir die Red Flags von COPD-Exazerbationen genau erkennen können, und deswegen möchte ich genau mit dieser ersten Frage starten, Timm: Wenn eine Patientin, ein Patient mit einer COPD zu mir kommt und ich vermute, dass es sich eventuell doch um eine Exazerbation handelt, bei welchen Aussagen muss ich hellhörig werden?

Prof. Greulich:
Na, wir wissen, dass COPD-Patienteninnen und -Patienten häufig unter den Symptomen Atemnot, Husten und Auswurf leiden. Wir haben das, bevor die Pandemie kam, mit AHA abgekürzt, also Atemnot, Husten, Auswurf − das ist ein bisschen in Vergessenheit geraten. Aber vielleicht können wir das jetzt wieder nehmen, denn bei einer Exazerbation werden diese Symptome relativ plötzlich schlechter. Ein anderes Wort für eine Exazerbation ist eine akute Verschlechterung. Das heißt, wir haben nicht die Patientin, den Patienten vor uns, der oder die uns sagt, also letztes Jahr konnte ich zwei Etagen laufen, vor einem halben Jahr gingen noch anderthalb Etagen und jetzt geht nur noch eine, sondern wir haben jemanden vor uns, der sagt: Eigentlich war das relativ stabil, aber seit ein paar Tagen geht es mir deutlich schlechter, ich habe mehr Atemnot. Das, was ich so aushuste, ist irgendwie ein bisschen grünlich geworden − also das, was ich kenne, hat sich relativ plötzlich verschlechtert. Und dann muss ich als die fragende Ärztin, der fragende Arzt an eine Exazerbation denken.

Dr. Sandow:
Gibt es auch noch diagnostische Hilfestellungen, irgendwelche Tools, Laborwerte oder gibt es Möglichkeiten, dass ich doch die Diagnose noch etwas sicherer stellen kann?

Prof. Greulich:
Tja, da sprichst du einen wunden Punkt an. Also wir haben nicht so den einen Laborwert, den man abnimmt und dann ist klar: jawohl, das ist eine COPD-Exazerbation. Letztendlich fußt die Diagnose wirklich auf der Patientin oder dem Patienten, der oder die vor mir sitzt, auf der Anamnese und − und das ist echt super wichtig − auf dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Das beruht darauf, dass unsere COPD-Patientinnen und Patienten ja häufig ältere Menschen sind, die unter einer ganzen Reihe von Begleiterkrankungen leiden. Also sie können gleichzeitig von einer Herzinsuffizienz betroffen sein, haben eventuell eine arterielle Hypertonie, vielleicht auch immer mal wieder Infekte und deswegen müssen wir bei diesen Patientinnen und Patienten z. B. auch an eine dekompensierte Herzinsuffizienz denken. Wir sollten uns Mühe geben, eine Pneumonie so gut es geht auszuschließen, auch an eine Lungenembolie ist mal zu denken. Also, es gibt so eine Reihe von Differenzialdiagnosen, die man bedenken sollte. Aber wenn die dann tatsächlich ausgeschlossen sind und wir haben die passende Patientin, den passenden Patienten vor uns, dann ist das eine Exazerbation.

Dr. Sandow:
Jetzt brauche ich noch eine Hilfestellung von dir, eine Exazerbation kann ja ganz unterschiedlich schwer verlaufen. Deshalb möchte ich von Dir wissen: Wann behandele ich, als Hausärztin, alleine, wann soll ich zur Fachärztin, zum Facharzt überweisen oder wann sollte die Patientin, der Patient gleich in die Klinik eingewiesen werden?

Prof. Greulich:
Ja, auch das ist eine schwierige Frage. Da ist es so, dass die lokale Situation ausschlaggebend ist. Wenn du in einer Situation bist, wo du einen kurzen Draht zum Pneumologen, zur Pneumologin hast und du diese bzw. diesen mal anzurufen kannst, dann ist die Schwelle natürlich niedriger. Aber wenn du irgendwo praktizierst, wo der nächste Pneumologe, die nächste Pneumologin eine halbe Stunde entfernt ist, das Telefon nicht abhebt und der nächste normale Termin in sechs Monaten ist, dann ist es halt schwieriger. Letztlich muss man sagen, entscheidet der klinische Eindruck. Die Entscheidung, die getroffen werden muss, ist ja, ob das eine leichte Exazerbation ist, bei der ich mit einer Intensivierung der inhalativen Therapie zurechtkomme? Ist das eine moderate Exazerbation, bei der die Patientin, der Patient mit Cortison behandelt werden muss? Muss ein Antibiotikum verschrieben werden? Oder ist das eine wirklich schwere Exazerbation, und ich bin mir sicher, der Patient bzw. die Patientin muss ins Krankenhaus. Und diese Krankenhausentscheidung, auch die ist ziemlich subjektiv. In den Leitlinien steht, die Patientin, der Patient soll schwere Luftnot haben, sie oder er soll zyanotisch sein, also eine zunehmende Symptomatik trotz initialer Behandlung ist relevant − also es gibt so eine Reihe von klinischen Charakteristika, wo man sagt, das ist ein Fall für ein Krankenhaus. Und trotzdem finde ich eben auch, dass da dieser klinische Baucheindruck, das Gefühl, das man hat, total entscheidend ist. Und ich finde auch, dass ihr da als Hausärztinnen und Hausärzte oft in einer super Position seid, weil ihr die Patientinnen und Patienten kennt und wisst, wie die betroffene Person zu Hause versorgt ist. Ja, da ist jemand da, der nach ihr, ihm guckt, der auch heute Abend, heute Nacht und auch morgen mal gucken kann, oder ist das alles nicht da? Und wenn das alles nicht da ist, dann wäre das auch so ein Punkt, wo man früher sagen würde, jawohl, der ist was fürs Krankenhaus.

Dr. Sandow:
Das heißt aber im Umkehrschluss, wir können, wenn wir keine klinischen schweren Zeichen haben, diese Patienten erst einmal in einer akuten Exazerbation weitgehend in der Hausarztpraxis selbst behandeln. Ich muss jetzt natürlich auch von dir wissen, was mache ich jetzt? Also mein Studium ist viele Jahre her, ich bin seit 34 Jahren in der Praxis, ich weiß, dass wir damals noch alle exazerbierten COPD-Patienten und -Patientinnen antibiotisch behandelt haben − das ist heute nicht mehr so. Das weiß ich, aber ich brauche von dir jetzt einen Tipp, wie behandele ich sie, worauf muss ich achten?

Prof. Greulich:
Hm, also die leichte Exazerbation ist ja wirklich die, die man manchmal gar nicht mitbekommt, da sie die Patientinnen und Patienten schon so von alleine behandeln und einfach ein bisschen mehr von ihrem Bedarfsspray nehmen. Wir behandeln COPD-Patientinnen und Patienten üblicherweise mit einem oder zwei Bronchodilatatoren, also mit einem LAMA und LABA, sprich einem langwirksamen Anticholinergikum und einem langwirksamen Beta2-Mimetikum oder einer Kombination aus beidem, und einem kurzwirksamen Bronchodilatator bei Bedarf. Und diese leichte Exazerbation, das ist der Zustand, in dem die Patientin, der Patient sagt, also irgendwie geht es mir schlechter, die Luftnot ist mehr geworden, ich erhöhe einfach mein Bedarfsspray. Bei der moderaten Exazerbation, da sind wir eben in dem Bereich, wo wir dann zusammen mit den Patienten entscheiden müssen, ob jetzt Cortison als Tablette nötig ist und ob ich vielleicht auch noch ein Antibiotikum verschreiben muss.

Dr. Sandow:
Jetzt möchte ich zum Schluss von dir natürlich auch noch wissen, was kann ich präventiv tun, um das Risiko für die erste oder natürlich auch für jede folgende Exazerbation zu senken?

Prof. Greulich:
Da sind wir jetzt im Bereich der Sekundärprävention, da wir weitere Exazerbationen unbedingt vermeiden wollen. Und da muss man sagen, das Einfachste ist gleichzeitig das Schwierigste − der Rauch-Stopp. Außerdem muss man über Impfungen nachdenken. Wir wissen, dass wir COPD-Patientinnen und Patienten gegen Influenza impfen sollten. Wir müssen aber auch über die Corona-Impfung nachdenken und wir sollten gegen Pneumokokken impfen. Das sind also weitere prophylaktische Maßnahmen. Dann wissen wir, dass die Steigerung der körperlichen Aktivität total wichtig ist. Ob das über Lungensport geht, über manche Fitnessstudios, vielleicht auch bei manchen Patientinnen und Patienten über eine stationäre Reha oder über die modernen Hilfsmittel, wie Apps. Es ist einfach total wichtig, dass die Patientinnen und Patienten wirklich aktiv werden. Letztlich kann man auch was auf der medikamentösen Ebene tun. Ich habe eben schon dargestellt, dass viele Patientinnen und Patienten mit einer Kombination aus zwei Bronchodilatatoren behandelt werden, also mit einer LAMA-/LABA-Kombination. Und hier sollte man dann tatsächlich, wenn die Patientin, der Patient unter dieser Therapie noch relevant exazerbiert, ein ICS hinzunehmen. ICS, das steht für Inhalatives Corticosteroid, also man sollte dann die Betroffenen mit einer Kombination aus drei Wirkstoffen, einem langwirksamen Anticholinergikum, einem langwirksamen Betamimetikum und einem inhalativen Corticosteroid behandeln.

Dr. Sandow:
Lieber Timm, ganz, ganz lieben Dank, dass du dich meinen Fragen oder besser den Fragen aus den Reihen der Allgemeinmedizin gestellt hast, und danke für deine wirklich praxisrelevanten Antworten.

Weiterführende Informationen

Prof. Greulich und Dr. Sandow sind neben vier weiteren führenden Experten*innen Mitglieder der Initiative „COPD-Verschlechterung? Nicht warten, handeln!“, die im Frühjahr 2022 ins Leben gerufen wurde. Das Expertengremium setzt sich für eine Verbesserung der Versorgung von Menschen mit COPD ein. Ihre wichtigste Forderung: ein Paradigmenwechsel in der COPD-Therapie. Diese sollte künftig weg von der Reaktion auf Ereignisse wie akute Verschlechterungen (Exazerbationen), hin zur Prävention sein. Hier können Sie mehr rund um die Initiative lesen und hören.

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