Nicht so mild wie erwartet: COPD bei jüngeren Erwachsenen

Berlin, 27.09.2022

COPD gilt gemeinhin als Krankheit, die vor allem bei älteren Menschen auftritt. Dem Krankheitsverlauf bei jüngeren Patienten*innen wurde bisher weniger Aufmerksamkeit geschenkt, da allgemein davon ausgegangen wird, dass er mit einer milderen Krankheitsschwere einhergeht. Doch entspricht das der Wirklichkeit?

Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist durch anhaltende Atemwegssymptome und eine Einschränkung des Luftstroms gekennzeichnet.1 Pathophysiologische Grundlage dieser Symptome sind Anomalien der Atemwege bzw. der Alveolen, in der Regel verursacht durch eine erhebliche Exposition gegenüber schädlichen Partikeln oder Gasen.1 Es ist also zu erwarten, dass die Krankheit vorwiegend bei Patienten*innen eines gewissen Alters festgestellt wird, wenn die pathophysiologischen Veränderungen entsprechend ausgeprägt sind.1 Doch auch wenn COPD generell als Krankheit älterer Menschen angesehen wird, legen Schätzungen nahe, dass mehr als die Hälfte der COPD-Patienten*innen (mit GOLD-Stadium 2 oder höher) jünger als 70 Jahre sind.2 So ergaben bspw. nationale Prävalenzschätzungen aus den Vereinigten Staaten in den Jahren 2014–2015, dass 6,5% der COPD-Patienten*innen bereits im Alter von 45–55 Jahren ihre Diagnose erhielten.2

Eine heterogene Progression

Oft wird eine in jungen Jahren einsetzende COPD mit einer milderen Krankheitsschwere gleichgesetzt.3 Das traditionelle Modell der COPD-Progression beschreibt den Krankheitsfortschritt als Folge eines beschleunigten Verlusts der Lungenfunktion.4 Doch aktuelle Untersuchungen konnten zeigen, dass der Rückgang der Lungenfunktion sehr heterogen erfolgte.4 Tatsächlich waren die Verteilung des Schweregrads und die Progression der Krankheit bei jüngeren COPD-Patienten*innen ähnlich zu solchen in höherem Alter.4 Eine frühe COPD ist also nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit einer weniger schweren Ausprägung derselben.1 Andersherum ist es derzeit nicht möglich zu unterscheiden, ob eine milde COPD gerade erst im Entstehen begriffen ist oder ob diese schon länger vorliegt, ohne jedoch weiter vorangeschritten zu sein.1

Das Leiden der Jüngeren

Was bedeutet es also, eine COPD zu haben, wenn man sich gerade im mittleren Alter befindet? Um das herauszufinden, hat eine kanadische Kohortenstudie jüngst die Gesundheitsdaten von 14 Millionen Einwohnern*innen der Provinz Ontario ausgewertet.3 Es zeigte sich, dass u. a. die Hospitalisierungsrate unter den 35–55-Jährigen mit COPD deutlich höher ausfiel als für diese Altersgruppe typisch, wenn auch nicht so hoch wie bei den über 65-Jährigen mit und ohne COPD.3 Bei den Besuchen in der Notaufnahme konnte jedoch ein etwas anderes Bild beobachtet werden: Hier kamen die jüngeren COPD-Patienten*innen auf ähnlich hohe Zahlen wie die älteren und nahmen die Notaufnahme damit immerhin häufiger in Anspruch als die über 65-Jährigen ohne COPD.3 Auch die Mortalität unter den jüngeren Menschen mit COPD war in der Studie deutlich erhöht, verglichen mit Gleichaltrigen ohne COPD: um das 5,6-fache bei Frauen und das 4,5-fache bei Männern.3 Damit lag sie zwar absolut betrachtet niedriger als jene in der Gruppe der älteren COPD-Patienten*innen, doch war der Unterschied innerhalb dieser Altersgruppe (COPD vs. keine COPD) wesentlich stärker ausgeprägt als bei den über 65-Jährigen.3

Was empfinden Betroffene?

Die Vermutung liegt nahe, dass die Lebensqualität einer jüngeren Person durch eine COPD nicht so stark eingeschränkt ist wie die einer älteren, die körperlich ohnehin nicht mehr so leistungsfähig ist. Eine internationale Befragung von 1.375 COPD-Patienten*innen aus Europa, den USA, China und Japan zeichnete jedoch ein anderes Bild: Jüngere berichteten von einer stärkeren Belastung durch ihre COPD.2 So gaben in der Altersgruppe der 45–54-Jährigen 35% der Befragten ihr Wohlbefinden mit „schlecht“ oder „sehr schlecht“ an und klagten über eine „hohe Beeinträchtigung“ ihrer täglichen Aktivitäten gegenüber 28% der über 65-Jährigen, was einen signifikanten Unterschied ausmacht (p < 0,05).2 Zu den Aktivitäten, in denen sich jüngere COPD-Patienten*innen stärker eingeschränkt fühlten, gehörten bspw. Tätigkeiten in und außerhalb der Wohnung, aber auch die gemeinsam verbrachte Zeit mit geliebten Menschen.2 Möglicherweise lassen sich die Unterschiede darauf zurückführen, dass jüngere Menschen generell höhere Erwartungen an das Leben haben und sich somit stärker durch ihre Krankheit eingeschränkt fühlen, so die Autoren.2 Diese Erkenntnisse unterstreichen, dass COPD auch im jüngeren Alter keine Banalität ist sowie die Wichtigkeit der Früherkennung.


Quellen:

  1. Soriano JB et al. Eur Respir J 2018; 52(6):1801448.
  2. Dekhuijzen PNR et al. COPD 2020; 17(4):419.
  3. Blazer AJ et al. Am J Respir Crit Care Med 2020; 201:A6276.
  4. Sanchez-Salcedo P et al. Eur Respir J 2014; 44(2):324.

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