Entstehung und Ablauf allergischer Reaktionen
Berlin, 27.03.2024 | Lesezeit: 2 Min.
Allergien sind schon seit langer Zeit bekannt und auch gängige Therapien existieren bereits viele Jahrzehnte.1,2 Wussten Sie zum Beispiel, dass die Allergenimmuntherapie schon vor über 100 Jahren ihren Anfang fand?1 Dennoch bestehen zur Entstehung und dem biochemischen Ablauf von allergischen Reaktionen noch immer offene Fragen. Diese komplexen Mechanismen besser zu verstehen, ist gerade vor dem Hintergrund der hohen Prävalenz3 von allergischer Rhinitis und anderen atopischen Erkrankungen von großer Relevanz.
Allergien, insbesondere die allergische Rhinitis, gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Industrienationen. Für die Betroffenen bedeutet sie meist eine signifikante Einschränkung ihrer Lebensqualität und Produktivität. Dennoch wird sie häufig unterschätzt und nicht ausreichend therapiert, was u. a. das Risiko eines Etagenwechsels hin zum Asthma erhöhen kann.3 Eine Ursache dafür könnte auch mangelndes Verständnis der Erkrankung sein.3 Daher lohnt es sich, einmal genau hinzusehen, wie Allergien entstehen und welche Prozesse bei einer allergischen Reaktion im Körper ablaufen.
Einfluss- und Risikofaktoren
Die Wahrscheinlichkeit Allergien zu entwickeln wird von verschiedenen Faktoren bestimmt. Zunächst kann eine genetische Prädisposition bestehen. Einige Gene wurden als sogenannte Suszeptibilitäts-Loci für eine Atopie identifiziert. Diese Gene stehen mit verschiedenen Immunfunktionen im Zusammenhang, beispielsweise der Aktivierung von B-Zellen, der Regulation von T-Zellen und der Epithel-Barrierefunktion.3 Zusätzlich spielen äußere Einflüsse, wie Luftverschmutzung, Klimawandel, Infektionen, Stress und die Ernährung eine Rolle.4 Mittlerweile hat die Forschung auch einen Zusammenhang mit dem Mikrobiom herausgestellt, das sich auf vielfältige Weise auf das Immunsystem auswirkt.5
Allergische Sensibilisierung
Einer Allergie geht eine Sensibilisierung gegenüber einem Allergen voraus. Dabei erkennt das Immunsystem einen eigentlich harmlosen Fremdstoff als Gefahr und löst eine Immunreaktion aus. Dabei nehmen dendritische Zellen in der Nasenschleimhaut das Allergen auf, verarbeiten es und transportieren es zu den ableitenden Lymphknoten. Hier werden die Allergene dann den naiven CD4+ T-Zellen präsentiert, wodurch diese aktiviert werden. Dies bewirkt, dass sie zu allergenspezifischen Typ-2-T-Helferzellen differenzieren, die wiederum die Aktivierung von B-Zellen einleiten. Auch die B-Zellen differenzieren durch diese Aktivierung, was zu Plasmazellen führt, die allergenspezifisches Immunglobulin E (IgE) produzieren. IgE bindet dann an IgE-Rezeptoren auf der Oberfläche von Mastzellen und Basophilen. So entsteht ein Pool von Gedächtniszellen, die das Allergen bei erneuter Exposition wiedererkennen.3
Die allergische Reaktion
Kommt ein Mensch mit einer Sensibilisierung gegenüber einem Allergen erneut mit diesem in Kontakt, wird eine Kaskade von biochemischen Prozessen ausgelöst. Die allergenspezifisches IgE-tragenden Mastzellen in der Nasenschleimhaut binden an das eindringende Allergen. Das führt dazu, dass zwischen IgE und den IgE-Rezeptoren eine Kreuzvernetzung stattfindet. Dadurch werden die Mastzellen aktiviert und degranulieren, wobei sie Histamin, Leukotriene, Prostaglandin D und andere Stoffe freisetzen. Diese interagieren dann mit Nervenzellen, der Vaskulatur und Drüsen und lösen so die typischen allergischen Symptome wie Juckreiz, eine verstopfte und laufende Nase aus.3 Gleichzeitig werden Typ 2 Entzündungsreaktionen bei Allergenkontakt ausgelöst: Allergenspezifische Gedächtniszellen, T2-Helferzellen und B-Zellen, produzieren große Mengen von Interleukinen, die die vaskuläre Permeabilität erhöhen und andere Immunzellen wie Eosinophile rekrutieren, die IgE-Produktion ankurbeln und die Schleimproduktion anregen.3 Durch wiederholte Exposition entsteht ein sogenannter Priming-Effekt. Das bedeutet, dass immer geringere Allergenmengen ausreichen, um eine allergische Reaktion zu erzeugen und selbst nicht-allergene Reize Allergiesymptome auslösen können. Neuesten Erkenntnissen zufolge geht dies mit einer Remodellierung der nasalen sensorischen Nervenzellen einher.3
Offene Fragen
Auch wenn die komplexen Mechanismen immer besser verstanden sind, ergeben sich nach wie vor offene Fragen. Zum einen werden die Zusammenhänge verschiedener Risikogene mit den Phänotypen atopischer Erkrankungen und die Einflüsse von Umweltfaktoren wie dem Klimawandel untersucht. Insbesondere das Mikrobiom steht hier weiterhin im Fokus vieler Untersuchungen. Andererseits sind bei der Vielzahl beteiligter Rezeptoren, Regulatorproteine und Botenstoffe längst nicht die Rolle und der Einfluss jedes einzelnen bestimmt. Auch das „Warum“ ist noch nicht abschließend geklärt: Auf der Suche nach dem evolutionären Nutzen der allergischen Reaktion fanden Forschende Hinweise darauf, dass dieser zum Beispiel bei Mäusen in der Abwehr von Parasiten und tierischen Giften liegen könnte.6
Quellen:
- https://www.allergieinformationsdienst.de/aktuelles/news/artikel/110-jahre-hyposensibilisierung-einzig-wirksame-allergie-therapie (letzter Zugriff: 13.02.2024)
- https://ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-182014/allergische-reaktionen-ausbremsen/ (letzter Zugriff: 13.02.2024)
- Bousquet J. et al., Nat Rev Dis Primers, 2020; 6(1): 95
- https://www.allergieinformationsdienst.de/immunsystem-und-allergie/risikofaktoren (letzter Zugriff: 13.02.2024)
- https://www.allergieinformationsdienst.de/forschung/mikrobiomforschung (letzter Zugriff: 13.02.2024)
- Galli, SJ. et al., Allergo Journal International, 2020; 29: 46–62
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