Zentrale Rolle bei COPD

Berlin, 15.11.2022 | Lesezeit: 6 Min.

Ein*e COPD-Patient*in fühlt sich krank – schlapp, erkältet, schweratmig – und geht damit natürlich erst einmal zum*zur Hausarzt*ärztin. Zu Ihnen. Welche wichtige Rolle Hausärzte*innen in der Versorgung von Menschen mit COPD spielen, diskutieren Frau Dr. Sylva Mitterdiami, niedergelassene Allgemeinmedizinerin in Berlin, und Herr Prof. Dr. Frederik Trinkmann, Oberarzt der Pneumologie und Beatmungsmedizin an der Thoraxklinik Heidelberg.

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Auszug aus dem Podcast:

Professor Trinkmann:
Wir wollen uns heute mit der Rolle des Hausarztes und der Hausärztin in der Versorgung unserer an COPD leidenden Patienten und Patientinnen kümmern. Hausärzte sind ja häufig die erste Anlaufstelle für den Patienten oder die Patientin mit allen Problemen. Und das hausärztliche Alltagsgeschäft wird ja unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass die Patienten und Patientinnen ein langes Vertrauensverhältnis haben zum gleichen Arzt. Aus Ihrer Sicht, warum hat denn der Hausarzt und die Hausärztin so eine zentrale Position in der Behandlung, speziell von Patienten mit COPD?

Dr. Mitterdiami:
COPD-Patienten sind nicht die häufigsten Patienten und Patientinnen in der Hausarztpraxis, aber doch eine große Gruppe mit vielen Komorbiditäten. Das heißt, sie sind schon wegen der Multimorbidität oft beim Hausarzt und haben sich mit ihm ein vertrauensvolles Verhältnis erarbeitet. Deshalb kommen die Patienten und Patientinnen dann auch mit den ersten Anzeichen der COPD zu ihm. Der Hausarzt ist nicht nur für die COPD die erst Anlaufstelle, sondern auch für alle anderen Anliegen des Patienten.

Professor Trinkmann:
Das bedeutet, Sie haben ein sehr heterogenes Patientenkollektiv und müssen ja da die Patienten und Patientinnen entsprechend aussuchen. Welche Herausforderungen begegnen Ihnen denn da, wenn es um diese Lotsenfunktion geht, insbesondere, wenn wir jetzt mal so an den fachärztlichen Bereich, an die Schnittstellen denken. Welche Patienten und Patientinnen überweisen Sie zum Facharzt und wie sind die Verfügbarkeiten?

Dr. Mitterdiami:
In erster Linie bin ich überzeugt, dass die Grunddiagnostik schon beim Hausarzt stattfinden kann. Wichtig ist, dass wir eine gute Zusammenarbeit zwischen Haus- und Facharzt praktizieren. Wenn wir als Hausärzte vorselektieren, wer dringend zum Facharzt überwiesen werden muss, dann werden wir Patienten und Patientinnen auch an Facharztpraxen weiterleiten können. Wir können nur nicht alle Patienten und Patientinnen der Hausarztpraxis mit z. B. COPD in pneumologische Facharztpraxen überweisen. Dazu reichen die Kapazitäten der Fachärzte nicht. Wir müssen als Hausärzte so aufgestellt sein, dass wir eine gute Basisversorgung leisten können und dann erste diagnostische und therapeutische Schritte einleiten können. Eine gute Fort- und Weiterbildung sichert eine gute Basismedizin für die Patienten und Patientinnen in der Hausarztpraxis.

Professor Trinkmann:
Also wir haben nicht nur eine Ressourcenknappheit in allen Gebieten der Medizin, sondern wir sind ja auch für unsere Patienten und Patientinnen im Sinne der Motivation zu Adhärenz zuständig und da sind natürlich die Hausärzte und Hausärztinnen, die einen sehr engen Kontakt haben, wichtige Begleiter. Wie unterstützen Sie denn konkret Ihre Patienten und Patientinnen in der Praxis?

Dr. Mitterdiami:
Für jedes Krankheitsbild gibt es sogenannte Standards, was alles wann kontrolliert werden sollte, bzw. welche Untersuchungen regelmäßig durchgeführt werden sollten. Dies sind z. B. Laborkontrollen, Fragebögen zum Gesundheitszustand, die Durchführung von EKG und Fußstatus und die Kontrolle des Impfstatus. Dazu kommt die Erstellung von Medikamentenplänen und das Einpflegen der Medikamente, die durch den Facharzt angesetzt worden sind. All das sind Dinge, die wir als Hausarztpraxis leisten und so wiederum den Zugang zum Facharzt erleichtern. Ich persönlich glaube, dass die Patienten und Patientinnen diese Basisversorgung sehr schätzen.

Professor Trinkmann:
Wie häufig sehen Sie diese Patienten und Patientinnen, speziell mit COPD, denn bei Ihnen in der Praxis?

Dr. Mitterdiami:
Einen stabil laufenden COPDler sehen wir zum Teil nur einmal im Quartal in der Praxis, aber ich muss dazu sagen, dass der COPDler in der Hausarztpraxis meistens nicht nur COPD, sondern auch Hypertonie, vielleicht auch Diabetes oder evtl. eine KHK hat, sodass er nicht nur einmal, sondern zweimal oder dreimal in die Praxis kommt. Und dann ist natürlich auch entscheidend, ob der Patient oder die Patientin eine Exazerbation hat. Wenn es zu einer Exazerbation kommt, dann sehe ich ihn viel öfter. Als Hausärzte wissen wir nicht im Vorfeld, welcher Patient/Patientin eine Exazerbation bekommt. Es sind sogenannte akute Ereignisse, die den Patienten im Quartal unabhängig von den regulären Terminen in die Hausarztpraxis führen, weil die akute Situation von ihm sehr lebensbedrohlich empfunden wird.

Professor Trinkmann:
Wir haben ja bei der COPD eine hohe Dunkelziffer einerseits an nicht diagnostizierten Erkrankungen, und Sie haben es gerade angesprochen, auch die Exazerbationen sind ja manchmal gar nicht einfach zu detektieren, oder werden von den Patienten und Patientinnen gar nicht wahrgenommen oder berichtet. Welche Rolle spielt denn der Hausarzt bei der Erstdiagnose und bei dieser Früherkennung der Exazerbation?

Dr. Mitterdiami:
Patienten und Patientinnen mit COPD sind häufig Raucher. Raucher wissen, sie haben jahrelang geraucht und sich oft sportlich nicht ausreichend betätigt. Dies führt dazu, dass Patienten Husten, Luftnot und natürlich auch Auswurf haben. Raucher würden sich mit diesen Symptomen primär nicht an einen Arzt wenden. Sie kommen oft erst in der Phase der Exazerbation, also wenn es ihnen akut schlecht geht und dann glauben sie oft fälschlicherweise, sie hätten eine Erkältung.
Wir als Hausärzte können weit früher mit der Diagnostik beginnen. Wir könnten bei Rauchern und Risikopatienten und Patientinnen frühzeitig eine Lungenfunktion durchführen. Sofern bei der Lungenfunktion Einschränkungen festzustellen sind, können wir die Diagnose COPD ins Auge fassen. Entsprechend Lungenfunktion und Symptomatik ist evtl. eine Therapie erforderlich. Zusätzlich sollten wir den Patienten und die Patientin motivieren, mit dem Rauchen aufzuhören und damit auch Exazerbationsprophylaxe betreiben. Ich glaube, darin liegt der große Erfolg in der Hausarztpraxis, wenn die COPD früh erkannt wird und wir den Patienten so motivieren, dass er sein Verhalten so anpasst, dass Exazerbationen vermieden werden.

Professor Trinkmann:
Welche Warnsignale oder welche typischen Symptome berichten die Patienten und Patientinnen Ihnen denn, oder auf was achten Sie denn, wenn es um diese frühe Diagnose geht?

Dr. Mitterdiami:
Das ist eigentlich ganz einfach. Die Symptome sind Auswurf, Husten, Atemnot. Wenn wir das mit dem Risiko Rauchen und/oder berufliche Exposition kombinieren, dann sollten unsere Alarmglocken läuten und den Patienten und die Patientin zumindest in unseren differenzialdiagnostischen Gedanken mit der Verdachtsdiagnose COPD in Verbindung bringen. Eine frühzeitige Lungenfunktion hilft weiter.

Professor Trinkmann:
Wie führen Sie denn diese Lungenfunktionsprüfung konkret durch und gibt es da Schwierigkeiten von Patientenseite beispielsweise mit der Untersuchung?

Dr. Mitterdiami:
Die Lungenfunktionen brauchen ein wenig Zeit und auch ein bisschen Übung. Unser medizinisches Personal sollte sehr gut wissen, wie eine Lungenfunktion durchgeführt wird, denn der Untersucher muss den Patient/die Patientin motivieren. Dies ist eine große Schwierigkeit in Zeiten der Personalknappheit. Unter Zeitdruck kann keine Lungenfunktion durchgeführt werden. Auch wenn eine Lungenfunktion selten durchgeführt wird, ist die Untersuchungstechnik nicht sicher. Ich glaube, das sind die größten Schwierigkeiten in der Hausarztpraxis, denn in der Praxis des Pneumologen ist die Lungenfunktion Tagesgeschäft. In der Hausarztpraxis ist die Lungenfunktion eine von vielen möglichen Untersuchungen. Trotzdem muss die COPD als Volkskrankheit in der Hausarztpraxis erstdiagnostiziert und behandelt werden. Als Hausärzte müssen wir dafür sorgen, dass Risikopatienten frühzeitig gescreent werden.

Professor Trinkmann:
Lassen Sie uns doch mal auf das Thema Exazerbation zurückkommen. Wie sensibilisieren Sie denn Ihre Patienten, und Patientinnen rechtzeitig zu Ihnen zu kommen, wenn sich eine Exazerbation anbahnt?

Dr. Mitterdiami:
Eine Exazerbation ist für uns als Hausärzte nicht einfach zu diagnostizieren. Wenn es einem Patienten oder der Patientin schlecht geht und zusätzlich Luftnot angegeben wird, kann dies viele Ursachen haben. Wir haben als Hausärzte kein vorselektioniertes Patientenklientel. Das heißt, es kann eine Lungenembolie sein, es kann ein Herzinfarkt sein, es kann eine Herzinsuffizienz, aber es kann auch eine Exazerbation sein. Es können noch viele andere Dinge dazu führen, dass der Patient Luftnot hat. Wir haben für die Exazerbation keine zu bestimmenden Parameter, wie z. B. D-Dimere bei der Lungenembolie oder Troponin beim Herzinfarkt, welche wir einfach messen können und dann sicher sind, dass es eine Exazerbation ist. Eine Exazerbation ist eine klinische Entscheidung und wir müssen den Patienten und die Patientin durch unsere fachliche Expertise und sein eigenes Erleben der Exazerbation heraus dazu bringen, dass auch er selbst weiß, wann er eine Exazerbation hat. Wenn er einmal eine Exazerbation erlebt hat und weiß, dass er durch eine entsprechend schnelle Therapie seinen Zustand verbessern kann, dann ist er für das Selbstmanagement gewappnet. Die sogenannten AHA-Symptome Auswurf, Husten, Atemnot kennt der Patient. Wenn die AHA-Symptome zunehmen und zusätzlich noch die Belastungsluftnot eintritt und er dadurch öfter sein Notfallspray nehmen muss, ist die Gefahr groß, dass eine Exazerbation vorliegt. In diesem Fall muss er sehr auf sein Selbstmanagement achten.

Professor Trinkmann:
Die COPD stellt auch in der hausärztlichen Praxis natürlich eine Herausforderung dar, weil sie eine Erkrankung, eine wichtige Erkrankung ist unter vielen anderen, die man auch differenzialdiagnostisch vor allem abgrenzen muss. Und ich denke, wir haben sehr viele Einblicke bekommen. Dafür möchte ich schon mal vielen Dank sagen.

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