Klimaschutz in der Praxis

Berlin, 15.12.2022 | Lesezeit: 2 Min.

Der Klimawandel ist eines der Themen, das uns in der Gesellschaft bewegt und in den letzten Jahren immer wieder verstärkt zum Umdenken angeregt hat. Dass sich dieses Umdenken auch in die Arztpraxen überträgt, zeigt z. B. die immer stärker werdende Diskussion über die Klimabilanz der verschiedenen Inhalator-Arten. Ganz nach der Redewendung „Kleinvieh macht auch Mist“ können Sie durch eine klimafreundliche Verordnung eines Inhalators einen großen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emission beitragen – vorausgesetzt natürlich, dass die CO2-freundlicheren Inhalatoren den Bedürfnissen Ihrer Patienten*innen entspricht.

In erster Linie verordnen Sie Inhalatoren natürlich gemäß der Empfehlung der Nationalen VersorgungsLeitlinie, das heißt: mit Blick auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten Ihrer Patienten*innen.1 Doch darüber hinaus können Sie weitere Faktoren in Ihre Entscheidung miteinfließen lassen, wie z. B. die CO2-Bilanz des verordneten Inhalators, denn diese kann sich zwischen einem Dosieraerosol und Pulverinhalator deutlich unterscheiden. In der hausärztlichen Versorgung verursacht die Verordnung von Medikamenten, und dabei gerade die der inhalativen Therapie von Asthma und COPD, die höchste CO2-Emission und bietet somit ein großes Potential für Einsparungen.2

Atmung verbessern, Luft verschlechtern?

Die inhalative Therapie hat natürlich das Ziel Luft und Atmung der Betroffenen zu verbessern. Scheint es da nicht paradox, dass durch Dosieraerosole gleichzeitig die Luft verschlechtert wird und sie 2020 trotzdem einen Anteil von 48 % aller inhalativen Arzneimittel ausmachten?2 Denn insbesondere für die treibgashaltigen Dosieraerosole lässt sich nur eine schlechte Umweltbilanz ziehen. Die CO2-Bilanz eines Inhalators wird anhand seines gesamten „Lebenszyklus“ berechnet. Das umfasst somit Produktion, Lagerung, Nutzung und Entsorgung eines Inhalators. Ein Dosieraerosol kommt damit auf insgesamt 14 – 18 kg CO2 pro Monat, während bei Pulverinhalatoren dagegen nur eine CO2-Bilanz von 0,8 kg CO2 pro Monat errechnet wurde.3

Kleine Schritte mit großer Wirkung

Doch was kann man durch die Reduktion des emittierten CO2 von über 94 % durch eine Therapie mit Pulverinhalator im Vergleich zu einem Dosieraerosol schon erreichen? Im praktischen Alltagsvergleich entspricht der Wechsel von einem Dosieraerosol auf einen Pulverinhalator bei nur einem*einer Patienten*in etwa einem CO2-Ersparnis von 455 kg CO2 pro Jahr, was z. B. auch mit dem Wechsel von einer fleischhaltigen Ernährungsweise auf eine vegetarische erreicht werden kann (440 kg CO2/Jahr)2 – durchaus eine beträchtliche Reduktion der CO2-Emission, die auch Ihren Patienten*innen am Herzen liegen könnte.

Abbildung 2: CO2-Fußabdruck/ Einsparmöglichkeiten des CO2-Verbrauchs in kg CO2. Die Angaben beziehen sich auf 1 Jahr. Ein Baum pflanzen: Durchschnittliche Menge an CO2 Speicherung einer Buche/Jahr = 12.5 kg. Ein Kurzstreckenflug (1000 km), 1000 km mit dem Auto (alleine), Umstellung der Ernährung von Mischkost auf vegetarische Kost = 440 kg/Jahr, Wechsel von MDI auf DPI bei der Annahme einer täglichen Nutzung und 2 Hub/d. Je Hub 0.026 kg CO2 für DPI und 0.65 kg CO2 für MDI = Differenz von 18.98 kg versus 474,5 = 455 kg

Wie groß der Effekt auf nationaler Ebene sein könnte, zeigte eine Studie die Daten aus Schweden und Großbritannien verglich. In Schweden erfreuen sich die klimafreundlichen Pulverinhalatoren großer Beliebtheit und werden dominierend in der Asthma- und COPD-Therapie verordnet (ca. 90 %). In Großbritannien dagegen werden zu 80 % Dosieraerosole verschrieben. Die Ergebnisse zeigten, dass die Umstellung auf die „schwedische Praxis“ eine Einsparung von insgesamt 550.000 Tonnen CO2 pro Jahr für Großbritannien bedeuten würde.3 Wie Anfangs gesagt: Kleinvieh macht auch Mist!

Entscheidungshilfe für die Praxis

Um diesem Wissen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. im März 2022 die S1-Leitlinie „Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln“ veröffentlicht.2 Die S1-Leitlinie soll hausärztlich Tätigen valide Informationen an die Hand geben, sodass im besten Fall der CO2-Fußabdruck der Praxis durch die verschriebenen inhalativen Behandlungen verkleinert werden kann. Die Leitlinie empfiehlt Pulverinhalatoren, da sie klimafreundlicher sind, und da die meisten Patienten*innen laut S1-Leitlinie gut damit zurechtkommen.2 Damit Sie bei der nächsten (Neu-)Verordnung neben der Nationalen VersorgungsLeitlinie eine weitere Entscheidungsgrundlage zur Verfügung haben, liefert Ihnen die Leitlinie direkt einen Algorithmus zur klimabewussten Verordnung von inhalativen Arzneimitteln mit.2

Ihre Meinung interessiert uns:

Spielt die CO2-Bilanz des Inhalators für Sie bei der Verordnung eine Rolle? (Sofern der*die Patient*in keine Einschränkungen hat.)

Ja, ich achte schon länger darauf!     Nein!

Weiterführende Informationen

Die Verordnung eines geeigneten Inhalators kann oft eine schwierige Entscheidung sein – gerade bei älteren Patienten*innen gilt es einiges zu beachten. Lesen Sie hier mehr dazu.

Sie wollen sich gerne noch weiter in die Thematik der Klimabilanz verschiedener Inhalatoren einlesen? Wir empfehlen Ihnen gerne noch eine weitere interessante Studie.


Quellen:

  1. BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie COPD – Teilpublikation der Langfassung, 2. Auflage. Version 1. 2021
  2. 053-059l_S1 Klimabewusstes VO Inhalativa_16-05-2022.pdf (degam.de)
  3. Aerosol, Trockenpulver und andere Inhaler: Die Crux mit der Umweltbilanz | SpringerLink

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