Tabakentwöhnung und die Rolle der E-Zigarette

Berlin, 29.05.2024 | Lesezeit: 3 Min.

Seit 1987 wird am 31.05. mit dem Weltnichtrauchertag auf Problematiken rund um das Tabakrauchen aufmerksam gemacht. Der diesjährige Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) zeigte abermals, wie sehr das Thema „Rauchen“ die Gesellschaft und insbesondere die medizinische Welt nach wie vor beschäftigt. Vor allem die Frage, wie der Rauchstopp gelingen kann und welche Rolle die E-Zigarette dabei (nicht) spielen sollte, ist großer Bestandteil der Diskussion.

Die Mehrheit der Raucher*innen, ca. 70 %, wollen mit dem Tabakrauchen aufhören.1 Allerdings ist die Anzahl der Rauchstoppversuche in Deutschland rückläufig. Während 2017 noch ca. 34 % mindestens einen Rauchstoppversuch innerhalb der letzten 12 Monate unternommen hatten, liegt der Anteil aktuell nur noch bei 8 %.2 Zusätzlich scheinen viele Raucher*innen die falschen Methoden für den Rauchstopp zu wählen, da nur ca. 13 % mindestens eine evidenzbasierte Methode für einen Rauchstoppversuch nutzen.3

Relevanz eines möglichst frühen Rauchstopps

Eine Studie aus diesem Jahr zeigte, wie wichtig ein früher Rauchstopp ist, denn je früher dieser erfolgt, umso mehr gleicht sich die Lebenserwartung wieder an die von Nichtraucher*innen an. Die Daten zeigten, dass durch einen Rauchstopp vor dem 40. Lebensjahr bei Männern die Lebenserwartung vergleichbar mit Nichtrauchern auf 82 Jahre ansteigt (männliche Nichtraucher 83 Jahre). Bei Frauen kann sich die Lebenserwartung sogar komplett angleichen und steigt wieder auf 87 Jahre. Ein Rauchstopp zwischen dem 50.–59. Lebensjahr lässt diese dagegen bei Männern schon nur noch auf 76 Jahre und bei Frauen auf 82 Jahre steigen.4

Ein Blick in die Leitlinie

Die S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ fokussiert sich auf das Rauchen von Zigaretten, da es die am meisten verbreitete Tabakkonsumform ist.5 Für die Diagnosestellung einer Tabakabhängigkeit, aber auch um Patienten*innen regelmäßig auf das Thema anzusprechen, sollte das Rauchen bei einem Praxisbesuch wie ein Vitalparameter behandelt werden. Das bedeutet, dass beim ersten Kontakt, sowie in regelmäßigen Abständen, der Konsum von Zigaretten abgefragt werden sollte. Dabei ist es wichtig, nicht nur das Rauchen von Zigaretten, sondern auch gezielt Novel and Emerging Nicotine and Tobacco Products (NENTPs), z. B. E-Zigaretten, Tabakerhitzer usw., abzufragen und zu dokumentieren. Für das Abfragen des Rauchstatus, und das darauffolgende Gespräch, kann beispielsweise die ABC-Methode angewendet werden.5

A („soll“)-Empfehlungen der S3-Leitlinie für konkrete Hilfsangebote zum Rauchstopp

Für einen erfolgreichen Rauchstopp sollten Patienten*innen in der Praxis konkrete Hilfestellungen angeboten bzw. aufgezeigt werden. Die S3-Leitlinie spricht für folgende Angebote eine A-Empfehlung, also “soll”-Empfehlung, aus:

  • Niederschwellige Intervention:5
    • Kurzberatung
    • Telefonische Beratung
    • Mobile Selbsthilfegruppe
  • Psychitherapeutische Interventionen:5 
    • Verhaltenstherapie Gruppe
    • Verhaltenstherapie Einzel
    • Kombinationstherapie
  • Arzneimittel:5
    • Nikotinersatztherapie Einfach/Kombination (NET)
    • Bupropion/Vareniclin
    • Kombination Beratung und Medikation
    • Kombination Verhaltenstherapie und Medikation

Durch neue Arten des Rauchens, wie beispielsweise die E-Zigaretten, wurde auch die Harm-Reduction (Schadensbegrenzung), also die Reduktion der Anzahl gerauchter Zigaretten und/oder das Umsteigen auf alternative Produkte, zu einem stark umstrittenen Thema. Die S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ bezieht hierzu eine klare Stellung und spricht sich gegen die Empfehlung von E-Zigaretten zur Harm-Reduction aus.5

Der Elefant im Raum: die E-Zigarette in der Tabakentwöhnung

Der diesjährige Weltnichtrauchertag findet unter dem Motto „Schutz der Kinder vor dem Einfluss der Tabakindustrie“ statt. Der Einfluss der Tabakindustrie ist ein Thema, das selbstverständlich auch viele Mediziner*innen beschäftigt, weshalb es auf dem diesjährigen DGP-Kongress ebenfalls intensiv thematisiert wurde. Das Konzept der Harm-Reduction hat seinen Ursprung eigentlich im Drogenkonsum, wo eine vollständige Abstinenz nicht immer erreicht werden kann.6 Die Kritik der Harm-Reduction beim Tabakkonsum ist die, dass die Tabakindustrie sich dieses Konzept zunutze gemacht hat und nun neuartige Nikotin- und Tabakprodukte (NENTPs) als weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten vermarktet - eine Strategie, die der Tabakindustrie ermöglicht, Gewinne zu halten.6 Allerdings gibt es derzeit keine ausreichenden wissenschaftlichen Beweise, um das geringe Risiko der NENTPs zu belegen.6 Erst kürzlich gab auch die European Respiratory Society (ERS) ein Statement zu dieser Thematik ab, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass noch immer keine ausreichenden unabhängigen Beweise vorliegen, um die Behauptung der Tabakindustrie über die Harm-Reduction zu stützen.6 Alle diese nikotinhaltigen Produkte machen weiterhin stark süchtig und sind schädlich. Folglich empfiehlt die ERS keine lungenschädigenden Produkte, wie NENTPs, und kann auch die Harm-Reduction als Strategie zur Reduzierung des Rauchens und zur Unterstützung der Rauchentwöhnung nicht empfehlen.6

In aktuellen Studien wird das Gesundheitsrisiko von E-Zigaretten weiterhin intensiv untersucht. Ein toxikologisches Review zu E-Zigaretten arbeitete heraus, dass E-Zigaretten alarmierend hohe Mengen an Karzinogenen und Toxinen beinhalten. Diese können langfristige Auswirkungen auf andere Organsysteme haben, einschließlich der Entstehung von neurologischen Symptomen, Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Karies.7 Eine unabhängige Studie aus 2024 zeigte, dass die E-Zigarette im Vergleich zur Zigarette zwar weniger schädlich ist, im Vergleich zum Nichtrauchen entsteht für Konsumenten*innen jedoch nach wie vor ein erhöhtes Risiko zu erkranken (z. B. an KHK, Asthma, COPD).8 Außerdem kann die E-Zigarette als Methode für den Rauchstopp häufig auch zum sogenannten Dual Use, also dem Konsum von normalen Zigaretten plus E-Zigaretten, führen.9  Der Dual Use ist vermutlich mindestens genauso schädlich wie das alleinige Rauchen von Zigaretten.

Weiterführende Informationen

Lesen Sie hier  das Statement der ERS zu neuen Nikotin- und Tabakprodukten, deren Rolle beim Rauchstopp und zu Harm-Reduction.

E-Zigarette, Shisha und Co: Ein Trend zum Abgewöhnen. Erfahren Sie hier  mehr über die neuen Arten des Rauchens. 

Digitale Gesundheitsanwendungen können gute Tools für Ihre Patienten*innen auf dem Weg in ein rauchfreies Leben sein. Lesen Sie hier  mehr zu diesem Thema.

Quellen:

  1. Babb S. et al., MMWR 2017; 65(52);1457–1464
  2. https://www.debra-study.info/(letzter Zugriff 04.04.2024)
  3. Kotz D. et al, Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 7-13
  4. Cho ER. et al., NEJM Evid 2024 3(3):EVIDoa2300272
  5. Batra A. et al., S3 Leitlinie Tabakentwöhnung 2021
  6. Chen DTH. et al., Eur Respir J 2024; 63(2): 2301808
  7. Glantz SA. et al., NEJM Evis 2024;3(3):EVIDoa2300229
  8. Auer R. et al., N Engl J Med 2024; 390(7):601–610
  9. Übersicht in Pneumologie 2024 DOI 10.1055/a-2243-9399

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