Asthma und Allergien – Risikofaktoren für Long-COVID?
Berlin, 26.06.2024 | Lesezeit: 3 Min.
Am 19. Juni erschien die jährliche Aktualisierung der Long-COVID S1-Leitlinie. Und auch diesen Herbst und Winter sind Infektionen mit dem mittlerweile als endemisch klassifizierten SARS-CoV-2 vermutlich wieder vermehrt zu erwarten.1 Damit einhergehend wird voraussichtlich die Zahl der Long-COVID-Patienten*innen steigen. Da die Ursachen des Long-COVID-Syndroms nach wie vor weitgehend unverstanden sind, will das Bundesministerium ab Herbst für die kommenden vier Jahre verstärkt die Forschung in diesem Feld fördern.2
Der Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach betonte erst kürzlich beim dritten Runden Tisch Long-COVID, dass das Long-COVID-Syndrom noch lange ein Thema sein werde.3 Dabei wurde neben dem immer noch großen Bedarf an Forschungsarbeit auch die Ende Dezember 2023 veröffentlichte Richtlinie zur Versorgung von Menschen mit Verdacht auf Long-COVID diskutiert. Diese soll die frühzeitige Versorgung von Patienten*innen verbessern und die Aufgaben der beteiligten Akteure regeln. Darüber hinaus bietet sie eine klare Definition der Patienten*innengruppe aller Altersgruppen mit dem Verdacht auf oder einer festgestellten Long-COVID-Erkrankung:4
„Als Long-COVID werden ein post-akut anhaltendes oder neu auftretendes Symptom oder Krankheitsbild oder mehrere solcher Symptome oder Krankheitsbilder in Folge einer akuten SARS-CoV-2-Infektion bezeichnet, die länger als vier Wochen nach Infektion andauern oder ab einer Zeit von vier Wochen nach Infektion auftreten. Hierzu werden auch Folgen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion gezählt, die als Post-COVID bezeichnet werden und länger als 12 Wochen (bei Kindern und Jugendlichen nach acht Wochen) nach Infektion andauern oder neu auftreten.“4
Ebenfalls eingeschlossen werden Patienten*innen mit anhaltenden Long-COVID-ähnlichen Symptomen nach Impfung gegen SARS-CoV-2 sowie post-akute Langzeitfolgen anderer Infektionen mit ähnlichen Symptomen.4
Erforschung von Long-COVID-Risikofaktoren: Asthma und Allergien
Unabhängig von staatlicher Förderung steht die Forschung rund um Long-COVID nicht still. Ein großes Ziel ist die Ermittlung von Risikofaktoren, die zum zielgerichteten Einsatz von Präventionsmaßnahmen beitragen könnten. Chronische Atemwegserkrankungen stellen ein besonderes Interesse dar, vor allem die Rolle von Asthma und Allergien wird aktuell diskutiert. Verschiedene Studien ergaben dabei eine Assoziation von Long-COVID mit Asthma oder Allergien.
Eine Metaanalyse aus 2023 von Wolff et al.5 betrachtete Daten aus prospektiven Kohorten-Studien mit Angaben zu allergischen Vorerkrankungen. Die Analyse ermittelte sowohl für Asthma als auch für allergische Rhinitis ein erhöhtes Risiko für Long-COVID. Allerdings weisen die Autoren*innen darauf hin, dass aufgrund der Heterogenität der verfügbaren Studien eine relativ hohe Verzerrung bestand.5 Unterstützt wird diese Assoziation allerdings durch weitere Daten aus einer Machine Learning Analyse von Patienten*innendaten aus deutschen Hausarztpraxen.6 Ziel der Studie war es, das Risiko für Long-COVID vorherzusagen und prädiktive Faktoren zu ermitteln. Ein solcher Faktor war beispielsweise eine vorliegende Asthmadiagnose.6
In aktuellen direkten Beobachtungsstudien wurde ebenfalls ein Zusammenhang von Asthma oder Allergien mit einem erhöhten Risiko, an Long-COVID zu erkranken, nachgewiesen.7,8 Eine Studie aus Japan7 untersuchte Risikofaktoren, die mit dem Auftreten der häufigsten Long-COVID-Symptome assoziiert waren. Für das Symptom der Fatigue ergab sich ein Zusammenhang mit einer Asthma-Vorerkrankung. Auch hielten die Symptome bei Asthma-Patienten*innen länger an.7 Eine ähnliche Studie aus China untersuchte vorbestehende Allergien als Risikofaktor für Long-COVID und zeigte eine positive Assoziation.8
Es scheint jedoch nicht nur in dieser Richtung ein Zusammenhang zu bestehen. Eine große Kohortenstudie von Oh et al.9 untersuchte, ob nach einer SARS-CoV-2-Infektion oder Long-COVID Erkrankung das Risiko für die Entwicklung von Allergien und Asthma erhöht war. Dabei ergab sich ein höheres Risiko mit steigender Schwere der Erkrankung, allerdings nur bei Menschen ohne COVID-Impfung.9
Asthma – auch ein Risikofaktor für schwere COVID-Verläufe?
Interessanterweise verhält es sich beim Risiko für schwere COVID-Verläufe Studiendaten zufolge umgekehrt. Während eine COPD positiv mit einem erhöhten Hospitalisierungs- und Mortalitätsrisiko bei einer SARS-CoV-2-Infektion assoziiert ist, gilt dies nicht für Asthma.5 Insbesondere bei leichtem bis moderatem Asthma bestand kein erhöhtes Risiko sich zu infizieren oder für schwere Verläufe.10 Eine retrospektive Kohortenstudie differenzierte zwischen allergischem und nicht-allergischem Asthma. Es konnte gezeigt werden, dass allergisches Asthma sogar einen protektiven Effekt gegenüber einer SARS-CoV-2-Infektion hatte.11 Ursächlich vermutet man hier den Mechanismus der Typ-2 Inflammation, der allergischen Erkrankungen zugrunde liegt. Dabei wird unter anderem die Expression von ACE2-Rezeptoren heruntergeregelt, die eine wichtige Rolle bei der Infektion mit dem Corona-Virus spielt.10
Weiterführende Informationen
Am 19. Juni wurde die Long-COVID S1-Leitlinie aktualisiert. Die aktuelle Fassung finden Sie hier.
Gerade mit Blick auf den näherkommenden Herbst lohnt sich ein Blick in die Impfausweise Ihrer Patienten*innen. Welche Impfungen werden für Menschen mit Asthma und COPD empfohlen? Erfahren Sie hier mehr.
Quellen:
- https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ-Liste-COVID-19-Pandemie.html(Letzter Zugriff 10.05.2024)
- https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/3-runder-tisch-long-covid.html(Letzter Zugriff 10.05.2024)
- https://www.bmg-longcovid.de/diskurs/runder-tisch-long-covid/runder-tisch-april-2024(Letzter Zugriff 10.05.2024)
- https://www.g-ba.de/downloads/39-261-6374/2023-12-21_LongCOV-RL_Erstfassung_BAnz.pdf(Letzter Zugriff 10.05.2024)
- Wolff D. et al., Clin Exp Allergy, 2023; 53(11): 1162–1176
- Kessler R. et al., J Clin Med, 2023; 12(10): 3511
- Sunata K. et al., Allergol Int, 2024; 73(2): 206–213
- Shang H. et al., BMC Infect Dis, 2024; 24(1): 36
- Oh J. et al., Nat Commun, 2024; 15(1): 2830
- Gao YD. et al., Int Immunol, 2022; 34(4): 177–188
- Murphy TR. et al., BMC Pulm Med, 2022; 22(1): 418
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