Allergische Rhinitis als Wegbereiter für Asthma?

Berlin, 28.05.2025 | Lesezeit: 3 Min.

Die allergische Rhinitis (AR) wird von Betroffenen oftmals als lästiger Schnupfen und häufiges Niesen trivialisiert. Dabei kann die AR die Lebensqualität von Betroffenen deutlich einschränken, den Schlaf stören und die Leistungsfähigkeit mindern.1,2 Zudem ist vielen Patienten*innen nicht bewusst, dass ohne adäquate Behandlung der AR das Risiko eines Etagenwechsels besteht und sich aus der Allergie ein Asthma bronchiale entwickeln kann. Grund genug, im Rahmen des Welt-Asthma-Tages Patienten*innen mit Allergien gezielt anzusprechen, genauer nachzufragen und über mögliche Risiken, insbesondere den Etagenwechsel, aufzuklären.

Was bedeutet Etagenwechsel?

Der Begriff “Etagenwechsel” beschreibt die Ausbreitung allergischer Entzündungen von den oberen Atemwegen (Nase und Nasennebenhöhlen) zusätzlich auf die Bronchien. Während sich allergische Beschwerden zunächst auf Symptome wie Juckreiz, Schleimhautschwellung und Niesreiz beschränken,1 kommen mit dem Etagenwechsel asthmatische Beschwerden wie Husten, Atemnot, Giemen und Engegefühl in der Brust hinzu.3 Die Erkrankung „wechselt“ gewissermaßen eine Etage tiefer – mit weitreichenden Konsequenzen für die Betroffenen.

Wie häufig ist der Etagenwechsel?

Bis zu 10 – 40 % der Personen mit AR zeigen Symptome von Asthma.4 Eine prospektive Langzeitbeobachtung von 1.137 Probanden*innen im Alter von 4 – 24 Jahren zeigte, dass jedes dritte Kind mit AR Asthma entwickelte.5 Das Risiko der Probanden*innen mit einer Pollen-Allergie, später an Asthma zu erkranken war im Vergleich zu Probanden*innen ohne Pollenallergie erhöht.5 Unbehandelt kann die AR zum Schweregrad von Asthma beitragen, wobei eine mittelschwere bis schwere AR die Wahrscheinlichkeit für ein unkontrolliertes Asthma um das 12,7-fache erhöhen kann, verglichen mit Personen ohne AR.4 Umgekehrt tritt bei bis zu 90 % der Menschen mit Asthma auch eine allergische Rhinitis auf, die jedoch bei bis zu 30 % nicht erkannt wird.4 Dabei kann die Behandlung der Rhinitis auch die Asthmakontrolle positiv beeinflussen.6

Ein bemerkenswertes Detail: Die allergische Rhinitis wird als Bestandteil des sogenannten atopischen Marsches betrachtet. Dieser beschreibt eine typische Abfolge, bei der zunächst eine atopische Dermatitis im frühen Kindesalter auftritt, gefolgt von allergischer Rhinitis und im weiteren Verlauf Asthma bronchiale. Alle diese Erkrankungen beruhen auf einem gemeinsamen immunologischen Mechanismus und treten somit nicht zufällig nacheinander auf.6

Naso-bronchiale Interaktion bei Rhinitis und Asthma

Die Entwicklung des Etagenwechsels beruht auf einer chronischen Entzündungsreaktion, die durch eine übersteigerte Reaktion des Immunsystems auf eigentlich harmlose Umweltreize wie z.B. Pollen, Tierhaare oder Hausstaubmilben ausgelöst wird. Über die Luft aufgenommene Allergene lösen eine Typ-2-Entzündung in der Nasen- und Bronchialschleimhaut aus.4 Darüber hinaus verstärkt die nasale Entzündung die Asthmasymptome durch die Aktivierung zentralnervöser Reflexe mit Bronchialobstruktion. Zusätzlich fördern entzündliche Zytokine die Reifung von eosinophilen Granulozyten im Knochenmark, die ins Blut und weiter in die Lunge gelangen. Dort verstärken Typ-2-Chemokine die Ansammlung eosinophiler Zellen und fördern die bronchiale Entzündung. Dadurch wird das bronchiale Remodeling, der histologische Umbau der Bronchien bei Asthma und damit zentraler Mechanismus im Etagenwechsel, gefördert.4

Frühzeitige Diagnostik als Schlüssel

Ein entscheidender Faktor in der Entwicklung eines Etagenwechsels ist das Zeitfenster zwischen dem ersten Auftreten allergischer Symptome und einer adäquaten Diagnostik. Wird eine allergische Rhinitis als Bagatellerkrankung abgetan und nicht abgeklärt, bleibt nicht nur die gezielte Vermeidung von Allergenen aus – auch therapeutische Optionen werden häufig zu spät eingeleitet. Daher kann eine Lungenfunktionsdiagnostik bei Patienten*innen mit bekannter Allergie und neu aufgetretenem Husten oder Atemnot essenziell sein. Spirometrie, Bronchoprovokation und FeNO-Messung erlauben Rückschlüsse auf eine bestehende bronchiale Hyperreagibilität – ein Frühzeichen für die Entwicklung eines Asthmas. Präventionsstrategien beinhalten neben der Allergenvermeidung und der pharmakologischen Therapie auch die Stärkung der Atemwege durch Bewegung und gegebenenfalls Rauchverzicht.

Allergiepatienten*innen nicht aus den Augen verlieren

Nutzen Sie die Pollenzeit und den Welt-Asthma-Tag, der Anfang des Monats stattfand, als Anlass, um Patienten*innen mit bekannter allergischer Rhinitis gezielt auf mögliche Warnzeichen eines Etagenwechsels hin anzusprechen. Frühzeitige Atemwegssymptome wie Husten, Giemen oder Belastungsdyspnoe sollten immer Anlass zur weiterführenden Diagnostik geben, denn die Erweiterung einer oberen um eine untere Atemwegserkrankung verläuft oft schleichend. Je früher ein beginnendes Asthma erkannt wird, desto effektiver kann eine geeignete Therapie eingeleitet werden. Der richtige Zeitpunkt, um Prävention aktiv umzusetzen ist jetzt.

Weiterführende Informationen

Lesen Sie hier ein Interview mit Prof. Dr. Claus F. Vogelmeier zum Etagenwechsel.

Quellen:

  1. Bousquet J, et al. Nat Rev Dis Primers, 2020; 6(1): 95
  2. Makatsori M, et al. Current Treatment Options in Allergy, 2014; 1: 27–38
  3. Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma, 4. Auflage 2024. AWMF-Registernr. 0002l
  4. Klimek L, Hagemann J: Global Atlas of Asthma: Chapter Allergic Rhinitis. EAACI 2020
  5. Lindqvist M, et al. Allergy, 2024;79(4): 884–893
  6. Warner JO, J Clin Med, 2020 May 14;9(5):1483

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