Wie beeinflusst das Darmmikrobiom die Sensibilisierung gegenüber Allergenen?

Berlin, 26.03.2025 | Lesezeit: 3 Min.

Der Stellenwert des Mikrobioms für unsere Gesundheit ist mittlerweile gefestigt. Ein Paradebeispiel dafür ist das Darmmikrobiom. Die Mikroorganismen im Darm sind eine funktionelle Komponente der vor der Außenwelt schützenden Darmbarriere, und eine Dysbalance kann beträchtliche Konsequenzen haben. Die Mechanismen dahinter werden aktuell immer weiter entschlüsselt. Fest steht: Die kommensalen Mikroorganismen interagieren mit dem lokalen Immunsystem.1 Da liegt die Idee nicht fern, zu untersuchen, ob das Mikrobiom auch die Entwicklung von Allergien beeinflusst. Das Ergebnis zeigt: Die Diversität ist entscheidend.

Das Darmmikrobiom beherbergt Billionen Mikroorganismen, die aktiv mit dem menschlichen Körper interagieren. Ein gesundes Mikrobiom zeichnet sich durch eine hohe Vielfalt aus und unterstützt zahlreiche Prozesse wie die Verdauung und die Immunabwehr. Gerät das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht, beispielsweise geprägt durch eine Reduktion der Diversität, spricht man von einer Dysbiose (Abb. 1). Studien zeigen, dass eine Dysbiose des Darmmikrobioms im Zusammenhang mit Krankheiten wie entzündlichen Darmerkrankungen, Diabetes Typ 1 und Allergien steht.1

Einfluss des Darmmikrobioms auf die Entstehung von Allergien

Das Mikrobiom spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Immunsystems. Gerade im Darm wird die Interaktion zwischen Mikroflora und dem humanen Immunsystem durch eine hohe Besiedlungsdichte und die große Oberfläche der Darmschleimhaut erleichtert. Diese komplexe Kommunikation ist bis heute noch nicht vollständig verstanden.2 Ein Schlüsselelement scheint die mikrobielle Vielfalt zu sein, auch im Zusammenhang mit der Entstehung verschiedener Erkrankungen.1 In Mausmodellen zeigte die Reduktion der Diversität des Darmmikrobioms in frühen Lebensphasen negative und langfristige Auswirkungen auf immunregulatorische Eigenschaften.3 Diese Effekte blieben auch bestehen, wenn die Diversität zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgeglichen war.3 Es wird vermutet, dass dies zu einer erhöhten Suszeptibilität für immun-mediierte Erkrankungen, wie Allergien, führen könnte.3 Ein ausgewogenes Mikrobiom scheint in Bezug auf die immunologische Toleranzentwicklung also schon in frühesten Jahren von großer Bedeutung zu sein.

Studien zur mikrobiellen Diversität im Zusammenhang mit Allergien

Mehrere Studien untersuchten die Zusammenhänge des intestinalen Mikrobioms und der Entstehung und dem Einsetzen von allergischen Erkrankungen und Symptomen. Viele dieser Untersuchungen zeigten, dass allergische Rhinitis (AR) mit einer geringeren Diversität der Darmmikrobiota assoziiert ist.4,5 Auch eine aktuelle Studie aus Japan untersuchte, wie die Diversität und Zusammensetzung der Darmmikrobiota mit der Sensibilisierung gegenüber inhalativen Allergenen korreliert.6 Ein weiteres Ziel dieser Studie war die Analyse des Risikos für das Auftreten von allergischer Rhinitis in Abhängigkeit der mikrobiellen Vielfalt. Die Forschenden analysierten dafür die Daten der Blut- und Stuhlproben von 1.092 Erwachsenen älter als 20 Jahre die 2016 im Rahmen des Iwaki Health Promotion Projekts erhoben wurden.6 Die Ergebnisse bestätigten: Personen mit geringerer Darm-mikrobieller Diversität hatten ein höheres Risiko für Sensibilisierungen gegenüber inhalativen Allergenen. Auch wenn das Auftreten von Symptomen der allergischen Rhinitis nicht mit einer spezifischen Zusammensetzung der Darmmikrobiota korreliert werden konnte, zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms einen relevanten Einfluss auf die Sensibilisierung gegenüber Allergenen hat.6

Was steckt dahinter?

Es bestehen verschiedene Theorien zu den zugrundeliegenden Prozessen. Einerseits wird vermutet, dass der regulatorische Einfluss des intestinalen Mikrobioms auf das Immunsystem durch ein mikrobielles Ungleichgewicht beeinflusst werden kann. Des Weiteren wird angenommen, dass die Dysbiose die Darmpermeabilität beeinträchtigen könnte und es dadurch unter anderem zu einer Aktivierung proinflammatorischer Signale kommen kann.Ebenfalls wird zunehmend die Bedeutung von bakteriellen Metaboliten diskutiert. Einigen Stoffwechselprodukten, die von den im Darm angesiedelten Mikroorganismen produziert werden, wird eine regulierende Wirkung auf das Immunsystem zugeschrieben.1 Veränderungen in der Zusammensetzung oder Menge dieser Metabolite könnten potenziell negative Auswirkungen auf diese regulierenden Effekte haben.1 Ein relevantes Beispiel für solche Metabolite sind kurzkettige Fettsäuren, die durch bakterielle Fermentation von Ballaststoffen gebildet werden. Ihnen wird ein positiver gesundheitlicher Nutzen zugeschrieben, da sie unter anderem immunregulatorisch wirken können.1 So wurde zum Beispiel  beobachtet, dass nützliche Milchsäure-produzierende Bakterien, wie die des Phylums Firmicutes, bei nicht-Allergen-sensitiven Personen dominierte, während Bakterien des Phylums Bacteroidetes bei Allergen-sensitiven Personenerhöht waren.4,6 Diese Dysbiose könnte zu einem reduzierten Laktatlevel führen und damit die Integrität der Darmbarriere beeinflussen.6 Die bisherigen Studien zeigen also bereits spannende Ergebnisse, und weitere Forschung wird wertvolle Erkenntnisse liefern, um die entscheidenden Mechanismen noch besser zu verstehen.

Könnte Allergien vorgebeugt werden?

Da der aktuelle Wissensstand keine Einschätzung erlaubt, welche spezifischen Bakterien die Sensibilisierung gegenüber Allergenen genau beeinflussen, kann dieser Prozess noch nicht gezielt angegangen werden. Daten legen dennoch nahe, dass eine ausgewogene Ernährung aus Obst und Gemüse, Vollkornprodukten mit einem hohen Anteil an Ballaststoffen, Milchprodukten mit niedrigem Fettanteil aber auch Fleisch und Fisch die Vielfalt der Mikroorganismen im Darm erhöhen kann und damit generell die Gesundheit auch in Bezug auf Allergien positiv beeinflussen.6

Das Fazit ist, dass die Darmflora, gerade im frühen Kindesalter, eine essenzielle Rolle bei der Entwicklung und Stabilisierung immunologischer Toleranzen spielt.2 Möglicherweise birgt der gezielte Ausgleich einer vorliegenden Dysbiose deshalb Potential, um therapeutisch und präventiv gegen Allergien vorzugehen.5

Weiterführende Informationen

Sie möchten wissen, wie die Identifizierung von Bakterienarten funktioniert? Hier finden Sie ein spannendes Video dazu.
Der Einfluss des Mikrobioms hört nicht bei Allergien auf. Lesen Sie hier, wie Bakterien, Viren und Co. Atemwegserkrankungen beeinflussen.

Quellen:

  1. Petersen C, Round JL. Cell Microbiol, 2014 Jul;16(7):1024-33
  2. Ohnmacht C, Fedoseeva M. Dtsch Arztebl, 2016; 113(24):[29].
  3. Cahenzli J, et al., Cell Host Microbe, 2013 Nov 13;14(5):559-70
  4. Watts AM, et al., Int Arch Allergy Immunol, 2021;182(2):94–105
  5. Hua X, et al., EBioMedicine, 2015 Nov 27;3:172–179
  6. Yamaguchi T, et al., Allergol Int, 2023 Jan;72(1):135–142

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