DGP – was waren die Highlights?

Berlin, 23.06.2022 | Lesezeit: 7 Min.

Pneumologie – Entwicklung und Fortschritt: Unter diesem Motto fand der 62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) vom 25. bis 28. Mai 2022 in Leipzig statt. In vier Tagen wurden mehr als 120 Symposien und Poster-Präsentationen durchgeführt. Dabei wurden aktuelle Themen und neue Erkenntnisse aus dem breit gefächerten Themengebiet der Pneumologie diskutiert. Über die Highlights des Kongresses tauschen sich Herr Prof. Dr. Frederik Trinkmann (Thoraxklinik, Heidelberg) und Herr Prof. Dr. Marek Lommatzsch, Oberarzt der Pneumologie an der Uniklinik Rostock, aus.

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Professor Trinkmann: Auf dem diesjährigen Jahreskongress der DGP sind wir natürlich um das Thema Covid nicht herumgekommen und auch in diesem Bereich wurden einige spannende Erkenntnisse diskutiert.

Professor Lommatzsch: Ja, Herr Trinkmann, es gab in der Tat viele Symposien und Vorträge zu Covid. Was war Ihr Eindruck? Gibt es irgendwas Neues zur Therapie, zu den Impfungen oder auch generell zu Long-Covid, haben Sie da neue Erkenntnisse gewonnen?

Professor Trinkmann: Große Durchbrüche bei der Therapie gab es auch auf dem diesjährigen DGP nicht, aber wir haben sehr viel Wissen, was sich mittlerweile konsolidiert. Das umfasst vor allem die Behandlung mit Steroiden bei den Patienten, die im Krankenhaus mit Sauerstoffbedarf aufgenommen werden, und wir haben mittlerweile ja auch eine Reihe von antiviralen Medikamenten und monoklonalen Antikörpern, die wir spezifisch in bestimmten Situationen einsetzen können. Beim Thema Post- und Long-Covid lernen wir praktisch täglich über die Pathophysiologie dazu. Und hier sind die Zusammenhänge sehr komplex und auch noch nicht gänzlich verstanden. Wir hatten ja bereits in einer früheren Folge mit Herrn Prof. Koczulla zusammen den Stellenwert der Reha und der Post- und Long-Covid-Therapie diskutiert. Wir haben mittlerweile eine Leitlinie, die auch in aktualisierter Form in diesem Jahr erscheinen wird, und wir haben ein paar interessante neue Wirkmechanismen auf der molekularen Ebene, die potenziell adressierbar werden. Ich rede da zum Beispiel von G-Protein-stimulierten Rezeptoren, aber da sind wir noch sehr weit von einer routinemäßigen klinischen Anwendung weg. Was etwas näher an der Klinik ist, was wir schon regelhaft durchführen, ist ja die Impfung. Und es gab ja ganz spannende Daten zur Impfung nach der Infektion. Vielleicht können Sie da kurz was zu sagen, Herr Lommatzsch.

Professor Lommatzsch: Ja, das hat in der Tat für Wellen gesorgt. Das ist ja parallel zum Kongress von Ayoubkhani et al., 20221 im „British Medical Journal“ publiziert worden. Und zwar war das eine größere englische Studie, die zwei Gruppen verglichen hat. Das sind einerseits Patienten mit Post- und Long-Covid-Symptomen, die nicht noch mal nachgeimpft wurden, und andererseits Patienten mit Post- oder Long-Covid-Symptomen, die noch mal nachgeimpft wurden. Und die konnten sehr sauber und schön zeigen, dass eben zumindest ein Teil der Patienten von dieser Nachimpfung profitiert und eine etwas bessere Prognose und etwas weniger Symptome haben. Das nährt so ein bisschen die Hypothese, dass doch bei einigen Patienten mit Post- und Long-Covid die Virus-Persistenz eine Rolle spielt. Das ist sicherlich nicht die Erklärung für alle Post- und Long-Covid-Symptome, aber einige Patienten haben wahrscheinlich Virus-Persistenz und deshalb macht dort die Nachimpfung besonders Sinn. Also ich würde sagen, das war eines der Highlights auf dem Kongress. Es gab aber nicht nur Covid, sondern auch COPD. Herr Trinkmann, es gab doch einiges Spannendes. Erzählen Sie uns mal, was es zur COPD gab.

Professor Trinkmann: Bei der COPD gab es im Prinzip zwei größere Themenbereiche, die intensiv diskutiert wurden. Zum einen das Thema Exazerbation, was bei der COPD ja immer weiter in den Fokus rückt, weil wir gelernt haben, dass Exazerbationen wichtige Ereignisse in der Patientenkarriere sind, die auch mit einer erheblichen Morbidität und − wie wir mittlerweile auch wissen − ja Mortalität vergesellschaftet sind. Einer von fünf Patienten stirbt innerhalb des ersten Jahres nach einer stationären Exazerbation.2 Und wir haben mittlerweile auch Medikamente an der Hand für die gezeigt werden konnte, dass sich damit die Mortalität günstig beeinflussen lässt, indem wir Exazerbationen verhindern. Ich schlage hier immer sehr gerne die Brücke zur Kardiologie, wo wir ja unter dem Präventions-Mindset versuchen, Myokard-Infarkte bei Risikopatienten zu verhindern, bevor sie auftreten. Und in der COPD-Welt geht das Denken auch in diese Richtung, dass wir eben Exazerbationen nicht mehr abwarten, sondern dass wir proaktiv im Sinne einer Prävention mit Mortalitätsreduktion bei diesen Patienten die inhalative Therapie anpassen. Neben den Exazerbationen sind aber auch die Entstehung und die frühen Phasen der Erkrankung, die wir bis jetzt noch nicht mit der Diagnostik, die wir durchführen, sehen, in den Fokus gerückt. Und wir konnten hier interessante eigene Daten aus der CAPTO-COPD-Studie präsentieren, wo wir einerseits COPD-Patienten in einem milden Stadium untersucht haben, das entspricht ungefähr dem spirometrischen Stadium I und II. Und wir haben Raucher mit Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD, also die schon Symptome hatten und die auch schon lang wirksame Bronchodilatatoren verwendet haben. Und bei diesen Patienten konnten wir zeigen, dass bereits bei den Risikopatienten, die die bisherige Definition der COPD noch gar nicht erfüllen, Veränderungen in den peripheren kleinen Atemwegen vorliegen. Das ist interessant, weil wir davon ausgehen, dass die COPD-Erkrankung und ja auch die Asthma-Erkrankung in den peripheren kleinen Atemwegen beginnt und dann den Weg geht über die zentrale Obstruktion, die wir letztlich diagnostizieren. Das bedeutet, wir konnten in dieser Querschnittsanalyse zeigen, dass auch bei Risikopatienten Veränderungen in den peripheren kleinen Atemwegen vorliegen und wir konnten zusätzlich zeigen, dass Patienten, die Veränderungen in den kleinen peripheren Atemwegen haben, eine eingeschränkte Lebensqualität aufweisen, also auch für den Patienten unmittelbar relevant.3 Das heißt, kurz auf den Punkt gebracht, die COPD-Exazerbation stand im Fokus und die Früherkennung der Erkrankung.

Professor Lommatzsch: Kann man denn irgendwie daraus ableiten, was wir mit der Früherkennung machen? Also wenn wir jetzt in frühen Stadien schon merken, da ist was los und das hat auch möglicherweise eine prognostische Bedeutung, wie können wir denn da eingreifen, außer, dass wir dem Patienten sagen, dass er aufhört zu rauchen?

Professor Trinkmann: Der Rauchverzicht ist ohne Frage die wichtigste Maßnahme. Und darüber hinaus müssen wir im Moment ehrlich sein, dass wir noch keine Daten haben, die eine frühe medikamentöse Inhalation zum Beispiel rechtfertigen würden. Also eine frühe Intervention ist bis jetzt noch nicht mit Daten belegt, aber wir erhoffen uns von den longitudinalen Daten, die wir gerade zusammen mit Henrik Watz in Großhansdorf auswerten, und wir versuchen Patienten zu identifizieren, die möglicherweise von einer frühen Therapie profitieren können, für die es aber im Moment noch keine Daten gibt, das muss man ehrlich sagen.
Neben Covid und COPD haben wir aber natürlich noch eine dritte, sehr wichtige Krankheit in unseren Reihen, nämlich das Asthma bronchiale. Deswegen die Frage an Sie, Herr Lommatzsch, was gab es denn im Bereich Asthma dieses Jahr Neues auf dem DGP?

Professor Lommatzsch: Auf dem DGP gab es ja den generellen Titel „Entwicklung und Fortschritt“. Und ich glaube, das ist ein Thema, was uns in der Asthmatologie gerade besonders interessiert, dass nämlich diskutiert wird, wie können wir wirklich eine fortschrittliche Asthma-Therapie endlich auch in die Praxis bringen? Denn wir haben ja sehr effektive inhalative Therapien, Biologika-Therapie, Allergen-Immuntherapie, aber trotzdem wird das noch nicht so inkorporiert, wie wir uns das wünschen. Wir haben auf mehreren Symposien darüber gesprochen, dass wir in der Vergangenheit in der Asthma-Therapie immer nur den Symptomen hinterhergelaufen sind. Wir haben immer nur akut behandelt. Wir haben nebenwirkungsreich behandelt. Und wir haben nie angefangen, die Erkrankung wirklich dauerhaft zu beeinflussen. Die heutigen Medikamente aber, die sind ja symptompräventiv, das ist ja ähnlich wie das, was Sie ja gerade schon angesprochen haben bei der COPD – mit den modernen Medikamenten des Asthma können wir Symptome verhindern. Und wir tun das ohne große Nebenwirkungen und indem wir wirklich krankheitsmodifizierend in die Erkrankungen eingreifen. Vor Kurzem haben wir in der Zeitschrift „The Lancet“ vorgeschlagen, dass wir diese modernen Therapien, die die Erkrankung beeinflussen, als Disease Modifying Anti-asthmatic Drugs bezeichnen, als sogenannte DMAAD‘s, parallel zu dem Begriff der Rheumatologen, die ja von den DMARD‘s sprechen, also Disease Modifying Anti-rheumatic Drugs. Und warum tun wir das? Um klarzumachen: Wir haben hier die neue Welt der Therapie und dort die Vergangenheit. Die neuen Therapien, die sind so effektiv, dass wir bei vielen Patienten sogar eine dauerhafte Beschwerdefreiheit und Exazerbationsfreiheit erreichen können. Deshalb ist ein zweiter Vorschlag, der auch auf dem DGP-Kongress aufgenommen wurde, dass man diesen Zustand als Remission bezeichnet, was wir aus anderen Erkrankungen kennen − aus der Gastroenterologie, aus der Rheumatologie − also dass auch wir von Remission sprechen und sagen, wir können bei Patienten mit Asthma Remission erreichen. Sowohl bei den leichteren Stadien durch eine konsequente und frühzeitige inhalative Steroid-Therapie als auch in den späteren Stadien durch eine gezielte Biologika-Therapie. Will sagen, der Kongress war dadurch geprägt, dass wir beim Asthma jetzt im Grunde genommen die Terminologie so neu ordnen, dass diese sehr effektiven antiasthmatischen Therapien den Patienten, als auch den Hausärzten und den generellen Internisten, gut vermittelbar sind. Denn natürlich kennen wir Pneumologen die Biologika, die inhalativen Steroide, die inhalativen dualen und Triple-Therapien und die vielen Möglichkeiten der Hyposensibilisierung und der Allergenen-Immun-Therapie, aber wir brauchen mehr Bewusstsein in der generellen Bevölkerung und auch bei den generell tätigen Ärzten. Und ich glaube, dieser Kongress hat sehr viel Optimismus ausgestrahlt, dass wir das schaffen können.

Professor Trinkmann: Das sind spannende Einblicke und ja letztlich ein Paradigmenwechsel in der Behandlung des Asthmas mit ganz neuen Therapiezielen. Wir kennen ja aus dem Alltag alle Patienten, die sehr gut ansprechen und die inhalative Therapie selbstständig reduzieren. Gibt es da neue Daten oder neue Strategien, wie wir mit Patienten umgehen, die prinzipiell gar keine inhalative Therapie mehr brauchen unter dieser hoch effektiven Medikation?

Professor Lommatzsch: Genau. Also es ist ja so, dass wir beim schweren Asthma viele Patienten haben, die so gut auf Biologika ansprechen, dass sie die inhalative Therapie nicht mehr nutzen wollen. Das ist eigentlich nach den aktuellen Zulassungen gar nicht möglich, weil die Therapie mit Biologika nur on top auf inhalative Dauertherapie zugelassen ist. Die Krankenkassen und die ganzen regulatorischen Behörden verstehen nicht, wie jemand dann das Add-on-Medikament alleine nimmt und die eigentliche Basis − laut Leitlinie − nicht mehr nimmt. So, das ist in der Tat erst mal scheinbar kontraintuitiv, wenn man in den bisherigen Stufenschemata denkt. Aber wir müssen diese Stufenschemata sehr wahrscheinlich verlassen. Denn wir können bei jedem Patienten sehr unterschiedlich Remission erreichen und erhalten. Das heißt, wenn man in dem neuen Konzept denkt, dass wir Remission induzieren und Remission erhalten, dann ist es bei der Remissionserhaltung völlig egal, womit wir sie erhalten. Wir wollen bloß möglichst wenig Medikamente dafür einsetzen, um auch Nebenwirkungen zu minimieren. Das heißt, es wird zukünftig Patienten geben, die die Remission erhalten unter einer reinen inhalativen Therapie, andere unter einer reinen Biologika-Therapie, andere wiederum unter einer Kombination aus Biologika und inhalativer Therapie. Und manche werden zum Beispiel eine Allergen-Immun-Therapie bekommen und danach gar keine Beschwerden mehr haben. Will heißen: Wir müssen uns von diesem aufeinander aufbauenden Stufenschema eher verabschieden und müssen dahin kommen, dass wir eine Phänotyp-spezifische, remissionsinduzierende und remissionserhaltende Therapie machen. Und dann wird diese Frage, dass wir Patienten haben, die nur Biologika nehmen, aber kein Inhalativum, gar nicht mehr stellen. Es ist ja gar keine Frage, dass natürlich der Patient alles weglassen kann, was er nicht mehr braucht. Also ich glaube schon, dass das irgendwie noch mal so richtig Spaß macht, dass man hier irgendwie ganz frisch in die Asthma-Therapie jetzt reinschauen kann.

Professor Trinkmann: Das bedeutet nicht nur bei der Definition, sondern auch bei der Therapie unmittelbare Auswirkungen dieses Konzepts. Ich denke, wir haben heute sehr viel gehört über Covid, was uns nach wie vor beschäftigt, und über die beiden großen Volkskrankheiten Asthma und COPD, die uns in der Pneumologie umtreiben. Und da hat uns der DGP-Jahreskongress auch einige neue Erkenntnisse beschert. Ich darf mich bei Herrn Lommatzsch für das sehr angenehme, erkenntnisreiche Gespräch bedanken.


Quellen:

  1. Ayoubkhani D. et al., BMJ 2022; 377: e069676.
  2. Ho TW et al. PLoS ONE 2014, 9:e114866.
  3. Thieme, Pneumologie 2022; 76: S3–S98.

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