Allergische Rhinitis – mehr als lästig

Berlin, 24.05.2023 | Lesezeit: 2 Min.

„Ich habe nur Heuschnupfen“, nach dem Start der Pollensaison hört man diese Aussage nur allzu oft. Doch genau diese Trivialisierung der Erkrankung kann dazu führen, dass Patienten*innen untertherapiert sind, es zu einer Abnahme der Lebensqualität und Verschlechterungen der Erkrankung kommt und Komorbiditäten entstehen können. Auch wenn das Immunsystem des Betroffenen überreagiert – bei der Aufmerksamkeit für Symptomatik und Therapie ist noch Luft nach oben.

Allergische Erkrankungen wie die allergische Rhinitis (AR) breiteten sich in den letzten Jahrzehnten epidemieartig aus.1 Bereits 2010 ging man davon aus, dass ca. 10 – 20 % der globalen Population an AR litten, Tendenz steigend.2,3 Dieser Trend zeigt sich auch in Deutschland: nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts und des Statistischen Bundesamts wird bei 30 % der 18- bis 79-jährigen eine allergische Erkrankung im Laufe des Lebens diagnostiziert.4 2017 gaben ca. 12,3 Millionen Erwachsene in Deutschland an, von einer AR betroffen zu sein.4

 

Allergische Rhinitis – was steckt dahinter?

Die AR wird durch Immunoglobulin E (IgE) vermittelte Reaktionen auf inhalierte Allergene verursacht.5 Die Erkrankung wird, bezogen auf die Symptomatik, nach Schwere (gering oder mäßig bis schwer) und Dauer (intermittierend oder persistierend) klassifiziert (Abb. 1).3 Durch welche Allergene die entzündlichen Reaktionen der Nasenschleimhaut ausgelöst werden können, kann sehr unterschiedlich sein. Neben Hausstaubmilben, Tierhaaren oder Schimmelpilzsporen, können auch Pollen als Auslöser fungieren und bei Betroffenen zu nasaler Obstruktion, Rhinorrhoe, vermehrtem Niesen oder Juckreiz führen.5 Während Betroffene, die z.B. auf Allergene wie Hausstaubmilben reagieren, ganzjährig unter der Symptomatik leiden, sind Patienten*innen mit Pollenallergie saisonal betroffen und konnten in den kalten Wintermonaten aufatmen. Allerdings wurde eines in den letzten Jahren deutlich: die Pollensaison entwickelt sich für Betroffene immer mehr zu einer ganzjährigen Belastung.1

Wie verändert sich die Lebensqualität?

Die AR ist zwar nicht lebensbedrohlich, kann aber sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft eine erhebliche Belastung darstellen.6 Mit Blick auf die Symptome und deren Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen bedeutet die Verlängerung der Pollensaison weitaus mehr als ein paar verbrauchte Taschentücher im Jahr:

  • Symptome können sowohl zu körperlichen als auch zu psychischen Beschwerden führen.6
  • Die von Patienten*innen mit allergischer Rhinitis empfundene Krankheitsbelastung geht über die klinischen Symptome hinaus und wirkt sich auf den Schlaf, das soziale Leben und die tägliche Aktivität aus.6
  • Die kognitive Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit am Arbeitsplatz können bei Patienten*innen beeinträchtigt werden.4 Bei Kindern macht sich dies auch in der Schule bemerkbar.
  • Neben chronischer Müdigkeit kann AR zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.7
  • Die Allergie selbst kann sich verändern, indem sich das Allergenspektrum ausdehnt: Aus einem „einfachen Heuschnupfen“ werden dann multiple Allergien.8

Vorsicht Etagenwechsel!

Zusätzlich ist die saisonale AR mit weiteren allergisch bedingten Komorbiditäten, wie z. B. Asthma assoziiert.5 Die ersten Veränderungen der Lunge können schon auftreten, wenn Betroffene ausschließlich unter Symptomen der saisonalen allergischen Rhinitis leiden.8 Durch diese Veränderungen steigt die Präposition für einen sogenannten Etagenwechsel – also der Entwicklung von allergischem Asthma.8 Tritt dieser Fall ein, wechselt die Erkrankung tatsächlich „die Etage“, weitet sich aus und wandert von den oberen Atemwegen hin zu den unteren Atemwegen. Bei Erwachsenen mit allergischem Asthma können bestimmte Außenreize im überempfindlichen Bronchialsystem Bronchospasmen auslösen, die zu Atemnot führen.8

 

Behandlung

Eine wichtige Säule der AR-Therapie stellt die Allergenkarenz dar5 – sofern dies möglich ist. Darüber hinaus gibt es die (allergen-) spezifische Immuntherapie.5 Für die Behandlung der AR stehen zahlreiche Optionen der Pharmakotherapie mit oralen und/oder topischen Antihistaminika oder intranasalen Glucocorticoiden zur Verfügung.5 Letztere sind die erste Wahl für Patienten*innen mit anhaltenden oder mittelschweren bis schweren Symptomen bei AR.5 Dennoch wird die AR häufig unterschätzt und viele Betroffene sind nicht unter ärztlicher Kontrolle.3 Hinzu kommt, dass viele Patienten*innen mit saisonaler AR ihre Medikamente nicht regelmäßig, sondern nur bei Bedarf nehmen.5 Dabei sind eine frühzeitige und eine dem*der Patienten*in angepasste Behandlung der AR elementar, nicht zuletzt um einen Etagenwechsel zum Asthma hin, sondern auch andere Multikomorbiditäten wie z.B. Konjunktivitis, Sinusitis oder atopische Dermatitis zu verhindern.9,10

 


Quellen:

  1. Luschkova D, et al, HNO Nachr. 2023;53(1):38-47
  2. Brozek JL et al. J Allergy Clin Immunol 2010; 126: 466–76
  3. Klimek L et al, Allergol Select 2019; 3: 22–50
  4. Schmitz R et al. Journal of Health Monitoring 2017 2(1)
  5. Bousquet J et al., Nat Rev Dis Primers 2020 6, 95
  6. Makatsori M et al. Curr Treat Options Allergy 2014;1, 27-38
  7. Guo J et al. Nat Cardiovasc Res 2022; 1, 417–430
  8. Interview Prof. Vogelmeier; Heuschnupfen Asthma | mein-allergie-portal (Stand: 13.03.2023)
  9. Cingi, C et al. Clin. Transl. Allergy 7, 17 (2017)
  10. Rachelefsky GS, Ann Allergy Asthma Immunol 1999; 82(3): 296–305

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